Nach dem Igel-Aufnahmestopp im Münchner Tierheim am 19. November entspannt sich die Situation in unserer Wildtierabteilung langsam. Wir können die Maßnahme nun wieder lockern und neue Pflegetiere aufnehmen.
Dennoch bitten wir weiterhin um Unterstützung für die kleinen Stachelritter. Erst im Oktober wurde der europäische Igel nämlich international auf der Roten Liste der bedrohten Arten als potenziell gefährdet eingestuft. Bereits in den Herbst-/Wintermonaten der letzten Jahre wurden täglich hilfsbedürftige Tiere aufgefunden und zur Wildtierstation gebracht. Heuer findet diese Entwicklung seinen bisher dramatischen Höhepunkt. Die abgegebenen Tiere sind stets unterernährt, krank, schwach oder verletzt und kommen ohne menschliche Hilfe nicht über den Winter.
Die Gründe für die Notlage der Igel sind allesamt menschengemacht: Ihr Lebensraum wird von uns geraubt, durch Bebauung, intensive Landwirtschaft und unnatürliche Gestaltung von Privatgärten und Grünflächen. Zu großer Hungersnot führt das flächendeckende Insektensterben. Igel sind davon, neben unseren Gartenvögeln, besonders betroffen. Auch wegen der Mangelernährung haben immer mehr Igel mit geschwächtem Immunsystem und schwerem Parasitenbefall zu kämpfen. Dazu kommen äußere Gefahren wie Laubsauger und –bläser, Mähroboter sowie der Straßenverkehr.
Um den possierlichen Tierchen unter die Arme zu greifen und dem globalen Artensterben regional entgegenzuwirken, bittet der Tierschutzverein alle Münchnerinnen und Münchner, die hilfsbedürftige Igel finden, um ein beherztes, aber auch besonnenes Eingreifen. Hierzu gibt es einige Punkte zu beachten:
Generell sollten nur wirklich notleidende Igel eingesammelt werden. Das Festhalten von gesunden Wildtieren ist nicht nur nicht im Sinne des Tierwohls, sondern auch nach Bundesnaturschutzgesetz verboten. Hierzu empfiehlt sich, das Tier erstmal eine Weile zu beobachten: Allgemein ist ein gesunder Igel als nachtaktives Tier tagsüber eigentlich nicht oder nur in Einzelfällen unterwegs. Er folgt bei Kontakt mit Menschen und anderen Tieren normalerweise seinem natürlichen Einroll- oder Fluchtreflex. Tut er dies nicht, stimmt etwas nicht und es geht ihm wahrscheinlich nicht gut. Ein apathisch wirkender, in Seitenlage befindlicher oder offensichtlich verletzter Igel muss sofort zu einer/m igelkundigen Tierarzt/-ärztin gebracht werden.
Als hilfsbedürftig erkennbar sind besonders kleine Igel und solche mit länglicher statt gesunder runder Körperform. Das Idealgewicht erwachsener Igel liegt je nach Alter und Geschlecht bei 800 – 1.500 g. Jungigel, die im selben Jahr geboren sind, befinden sich jedoch noch im Wachstum und sind mit einem Gewicht über 500 - 600 g auf der sicheren Seite. Hier gibt die Körperform im Verhältnis zu ihrem Gewicht einen entscheidenden Hinweis auf das Alter der Tiere. Auch ein sog. „Hungerknick“, ein Einfall zwischen Kopf und Körper oder auch in der Mitte des Körpers, an der Hüfte, ist ein Zeichen von Mangelernährung.
Der allererste Schritt nach der optischen Einschätzung ist es, das Tier mittels einer Küchenwaage zu wiegen. Bitte dafür unbedingt Handschuhe tragen oder ein Handtuch zwischen Hände und Igel bringen, um Verletzungen durch die Stacheln und Übertragung möglicher Krankheitserreger oder Parasiten zu vermeiden.
Die Erstversorgung kann bei den FinderInnen zu Hause erfolgen, ist aber nach dem Zustand des gefundenen Igels auszurichten. Handelt es sich um ein Igelbaby mit Gewicht unter 200 g, sollte es in einer Box im Warmen bei mind. Zimmertemperatur untergebracht werden. Man kann hier eine Wärmequelle wie eine Wärmflasche oder Heizkörper unter der Igelkiste platzieren, muss aber unbedingt darauf achten, dass diese nicht zu heiß wird. Es empfiehlt sich, einen Luftzwischenraum zwischen Wärmequelle und Box zu schaffen.
Jungigel ab 200 g können ohne Wärmequelle bei Zimmertemperatur versorgt werden. Erwachsene Igel, die trotz eines Gewichtes von 500 g oder mehr keine runde, sondern eher längliche Körperform haben, in schlimmeren Fällen auch einen sog. „Hungerknick“, sollten ebenfalls gepäppelt werden. Liegt das Gewicht nur leicht unter dem Idealgewicht, sollten die Tiere nicht in zu warmen Räumen gepflegt werden. Eine Temperatur von 10 - 15 Grad ist ausreichend. Die Wärme tut leider auch Parasiten gut, die sich dann schlagartig vermehren und den Zustand des Igels schnell dramatisch verschlechtern können. Wird ein Igel in warme Räume aufgenommen ist eine Behandlung eines igelkundigen Tierarztes, Tierärztin, oder einer Wildtierstation gegen die vorliegenden Parasiten notwendig.
Zur Fütterung eignet sich für alle Igel am besten Katzenfutter mit hohem Fleischanteil. Auch ein regelmäßig zu reinigender Napf mit täglich ausgetauschtem Wasser sollte den Igeln zur Verfügung stehen. (Ganz kleine, neugeborene Igelbabies benötigen speziellen Aufzuchtsbrei. Solche Fälle sollten aber ohnehin nicht privat aufgezogen, sondern in Expertenhände gegeben werden.)
Nur mit der richtigen Versorgung ist dem Igel wirklich geholfen! Mit der falschen Handhabung wird sich sein Gesundheitszustand sogar verschlechtern. Zur fachkundigen Beratung sollte deshalb unbedingt eine professionelle Wildtierstation kontaktiert werden. Die Wildtierstation im Münchner Tierheim ist täglich von 8.00 bis 17.00 Uhr unter Tel.: 089 / 921 000 76 erreichbar.
Allgemein helfen Sie Igeln und anderen Wildtieren am besten mit einem naturnahen Garten, weniger Hecken- und Rasenschnitt. Zumindest „unordentliche“ Ecken mit Wildwuchs, Laub oder Totholz bieten Insekten, der Nahrungsquelle für Igel und Co., Lebensraum. Umsichtige TierfreundInnen verzichten zudem auf den Einsatz von Mährobotern, Rasenkantenschneidern, Laubbläsern und –saugern. Hier kann man guten Gewissens dem Motto folgen: Es lebe die Faulheit!