„Sieh doch, wie arm mein Wauzi ist… und mach die Geldbörse auf.“ Mit dieser Masche arbeitet die Bettelmafia in vielen Städten, besonders in der Zeit von Großveranstaltungen. Alljährlich reisen organisierte Gruppen aus Osteuropa zum Münchner Oktoberfest, bestens koordiniert und strategisch aufgestellt. Dabei werden Tiere schamlos als Mitleidsverstärker missbraucht, um gutgläubigen Passantinnen und Passanten Geld aus der Tasche zu ziehen. Tierschutzorganisationen fordern deshalb seit langem ein Bettelverbot mit Tieren, vor allem in Innenstädten und bei Massenevents.
Das perfide System des Almosengeschäfts sehen die WohltäterInnen freilich nicht. Sie sehen nur, was sie sehen sollen: einzelne BettlerInnen rund um das Wiesngelände, in Lumpen am Boden sitzend, mit Hut oder Schale für Münzen und Scheine vor sich, manchmal ein Schild in der Hand. Besonderer Blickfang mit maximalem Mitleidsfaktor: ein armer Hund neben ihnen. Arm dran ist der tatsächlich, denn die Tiere der Bettelmafia sind meist verwahrlost, krank, ausgehungert, dehydriert, nicht selten sogar sediert. Sie müssen stunden- bis tagelang, an kurzen Leinen fixiert, inmitten der lärmenden Menschenmengen ausharren, bei jedem Wetter, oft ohne Wasser und Futter. Besonders Welpen,Junghunde oder kranke Tiere werden eingesetzt, da sie noch mehr Bedauern erregen. Zudem warten die BettlerInnen mit ihrer Masche gezielt bis zu den späten Abendstunden, um betrunkene OktoberfestbesucherInnen auf dem Heimweg abzugreifen und deren schwachen Moment auszunutzen.
Die Hunde liegen dabei apathisch am Boden oder müssen ein bestimmtes mitleiderregendes Verhalten zeigen. Häufig werden sie mit Betäubungsmittel ruhiggestellt oder daran gehindert, sich hinzulegen, teilweise so eng in Decken gewickelt, dass sie sich gar nicht bewegen können. Nachts, nachdem die Tore zum Festgelände schließen, sammeln sich die Gruppen unter Brücken im Umkreis, umdort zu nächtigen, ihre Einnahmen abzugeben und die Hunde auszutauschen. Denn die sind keineswegs geliebte Gefährten einzelner Personen, sondern nichts weiter als austauschbare Arbeitsmittel.
Auch heuer erreichen den Tierschutzverein München täglich Meldungen von besorgten WiesnbesucherInnen, die Bettelhunde in erbärmlichem Zustand gesehen haben. Zehn Hunde wurden bislang gleichzeitig gezählt, sechs davon konnte das Münchner Veterinäramt aus den Fängen derBettelmafia befreien. Zwei von ihnen haben massive Gesundheitsprobleme, ein herzkranker Pudel und eine völlig abgemagerte Huskyhündin mit starker Ohrenentzündung. Alle sechs Hunde stammen aus der Slowakei. Sie waren völlig verfloht, verdreckt und hatten stumpfes Fell, teilweise extremen Zeckenbefall.
Die Rettung gelang nur dank des besonderen Engagements der Münchner Amtstierärztinnen. Sie arbeiten unter erschwerten Bedingungen, denn verboten ist das "stille" Betteln mit Hund in München leider nicht. Die Behörden dürfen lediglich Impfpässe kontrollieren und damit die Einhaltung der Einfuhrbestimmungen für Auslandshunde. Nur bei diesbezüglichen Unstimmigkeiten und offensichtlichen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz haben Veterinärbeamte die Möglichkeit, Hunde sicherzustellen.
Am vergangenen Donnerstag, den 25. September, wurden in den frühen Morgenstunden sechs Hunde beschlagnahmt. Im Einsatz waren zwei Amtstierärztinnen, zwei InspektorInnen des Tierschutzvereins und einige PolizistInnen. Für die armen Geschöpfe hat die Tortur nun vorerst ein Ende. Sie werden im Münchner Tierheim medizinisch versorgt und liebevoll aufgepäppelt. Ob sie aber nicht doch wieder zu ihren „Eigentümern“ zurückmüssen, ist noch offen.
Dass die Menschen in diesen Bettel-Banden selbst oft Opfer und hilfsbedürftig sind, steht außer Frage. Sie würden ihren Lebensunterhalt sicher lieber auf andere Weise verdienen. Doch dabei unschuldigen, wehrlosen Tiere derartiges Leid zuzufügen, ist unentschuldbar. Was mit den Hunden nach ihrem Einsatz in Deutschland geschieht, bleibt unklar und macht uns zusätzlich Sorgen.
Der Tierschutzverein appelliert an den Stadtrat: Wir brauchen dringend ein Bettelverbot mit Tieren im gesamten Stadtgebiet, besonders zur Wiesnzeit!