Was für ein Herzensbrecher: Seit etwa einem Monat verzückt ein Zwergziegenbock namens Ronaldo unsere gesamte Belegschaft. Anders als sein berühmter Namensvetter hatte unser Ronaldo leider bisher nicht so viel Glück in seinem Leben. Und auch seine Statur fällt gänzlich anders aus als die des Fußballstars. Dennoch hofft das Münchner Tierheim nun auf einen gewinnbringenden Transfer.
Ronaldo ist jetzt geschätzt etwa sechs Monate alt und wurde aus schlechter Haltung gerettet. Sein Vorbesitzer kaufte ihn für seinen TikTok-Kanal. Da war er erst ein paar Wochen auf der Welt. Nachts musste das Baby ganz allein in einer Garage hausen. Tagsüber wurde er im Auto umhergefahren und zur Schau gestellt, meist an Tankstellen.
Mitte Oktober wendete sich das Blatt für das arme Zicklein. Als besorgte AutofahrerInnen die Polizei riefen, ging es schnell: Der Halter wurde an seiner Lieblingstankstelle festgesetzt, Ronaldo beschlagnahmt und unsere Tierschutzinspektion zur Abholung gerufen.
Seitdem ist Ronaldo im Münchner Tierheim und musste erstmal medizinisch versorgt werden. Er ist kleinwüchsig, nur unwesentlich größer als eine Katze, ein sog. „Kümmerling“, da er viel zu früh von seiner Mama getrennt wurde. Was niedlich aussieht und dem Vorbesitzer auf Social Media viele Klicks verschafft hatte, ist für Ronaldo ein großes Gesundheitsproblem, das ihn sein Leben lang beeinträchtigen wird.
Ziegen sind zudem Herdentiere. Ronaldo war in der so wichtigen Prägephase ganz allein und leidet auch jetzt im Tierheim noch unter der Einsamkeit. Sein zwischenzeitlicher Gehegemitbewohner, ein Seidenhuhn, wurde kürzlich vermittelt. Nun suchen wir für unser Böckchen dringend ein neues und artgerechtes Zuhause in ländlicher Gegend, wo er zusammen mit anderen Ziegen bis an sein Lebensende liebevoll versorgt wird. Wer ein passendes Plätzchen frei hat, kann sich ab nächster Woche (KW 47) im Tierheim melden.
Ronaldo ist ein sehr nettes, zutrauliches und verschmustes Kerlchen, wegen seiner Wachstumsstörung allerdings etwas ruhiger als andere junge Huftiere. Insgesamt bringt er einen gesteigerten Pflegebedarf mit. Da auch sein Stoffwechsel von der Wachstumsstörung betroffen ist, braucht Ronaldo dauerhaft Spezialfutter, sog. „Lämmerkorn“, welches er gesondert von seiner Herde erhalten sollte.
Immer wieder erleben wir, dass Menschen sich für Social-Media-Fame außergewöhnliche Tiere anschaffen, deren Bedürfnisse sie nicht gerecht werden. Hier könnte, wie für jede Impulsanschaffung von Tieren, ein gesetzlich vorgeschriebener Sachkundenachweis Abhilfe schaffen. Im aktuellen Entwurf zur Novelle des Bundestierschutzgesetzes fehlt dieser jedoch immer noch.
Das Phänomen des „Petfluencing“, also der Betrieb von Social-Media-Kanälen, die sich nur um gewisse Tiere drehen, ist nicht grundsätzlich verwerflich, aber sehr mit Vorsicht zu genießen! Die Tiere werden teils rücksichtslos zur Schau gestellt und dafür in unangenehme Situationen gebracht. Sobald sich das Tier dabei unwohl oder gestresst fühlt, etwa in ungewohnter Umgebung, überforderndem Setting oder in körperlich einschränkender Verkleidung, sind die Online-Auftritte nicht vertretbar!
Ein weiteres Problem ist, dass durch die Bedienung des sogenannten „Kindchenschemas“ mithilfe besonders kleiner Tiere wie „Teacup-Dogs“ oder durch den Hype um möglichst exotische sowie optisch auffällige Tiere, Qualzucht und illegaler Handel unterstützt werden. Das Risiko, Follower zu animieren, sich ebenfalls solche Tiere zuzulegen, ist hoch.
Wir appellieren daher an alle Social-Media-User, solche Accounts nicht mit Likes und Shares zu fördern, sondern beim Netzwerkbetreiber oder Admin zu melden. Denn: Tiere sind keine Accessoires!