Bei der europäischen Wildkatze handelt es sich nicht um eine Streunerkatze, also eine verwilderte Hauskatze, auch wenn diese gerne verwechselt werden. Sie ist nicht einmal ein Vorfahre unserer Hauskatzen, da diese von der afrikanischen Wildkatzenart abstammen, auch Falbkatze genannt.
Hauskatzen kamen erst mit den Römern vor etwa 9.500 Jahren nach Europa, während es schon seit 300.000 bis 500.000 Jahren europäische Wildkatzen auf unserem Kontinent gibt. Zu Gesicht bekommt man diese scheuen Tiere allerdings nur im seltensten Fall. Sie halten sich nicht nur fernab von Siedlungen in reich strukturierten, dichten Mischwäldern auf, sondern gelten auch als unzähmbar. Selbst handaufgezogene europäische Wildkatzen bleiben dem Menschen gegenüber scheu und lassen sich niemals freiwillig von ihm berühren. Auch Wissenschaftler bekommen bei ihren Feldarbeiten nur sehr selten eine echte Wildkatze zu Gesicht. Um die Anwesenheit der scheuen Tiere zu erforschen werden Stöcke mit Baldrian benetzt und die dort abgestreiften Haare danach genetisch ausgewertet.
Wildkatzen und Hauskatzen können sich zwar miteinander paaren und bringen auch reproduktionsfähige Jungtiere zur Welt, aber die Hybridisierung passiert wegen ihrer menschenvermeidenden Lebensweise nur selten.
Die Wildkatze von wildfarbenen Hauskatzen zu unterscheiden ist nicht immer einfach. Wichtigstes Merkmal der Wildkatze sind ihre eher verwaschenen Streifen, ihr schwarzer Aalstrich am Nacken und Rücken, der maximal bis zum Schwanzansatz reicht und ihre zwei bis drei schwarzen Ringel am buschigen, stumpf endenden Schwanz.
Noch schwieriger wird es bei den Katzenkindern: Wildkatzenbabys haben noch eine intensive Streifenfärbung, die sie kaum von Kitten einer Hauskatze unterscheidbar macht. Im Gegensatz zu Hauskatzen ist die Jungensterblichkeit bei Wildkatzen sehr hoch. Sie werfen nur einmal im Jahr zwischen März und Juli und bringen im Durchschnitt nur 3 bis 4 Jungtiere zur Welt; mit Glück überlebt davon eins bis zur Geschlechtsreife. Sterben die Jungtiere sehr früh, kann ein zweiter Wurf bis August folgen.
Viele erwachsene Katzen fallen dem Straßenverkehr zum Opfer, meist wenn sie versuchen, von einem durch Autobahnen und Siedlungen zerschnittenen Lebensraum in den anderen zu wechseln.
Ein Wald muss naturnah und strukturreich sein, damit sie sich darin wohl fühlt, mit vielen Hecken und Altgehölz mit Höhlen und Verstecken. Ebenso benötigt sie ein mildes Klima, da die Jungtiere nässeempfindlich sind und die Adulttiere bei zu dicht und lang geschlossener Schneedecke nicht mehr jagen können.
In Deutschland gilt die Wildkatze als gefährdet. In Bayern war sie lange Zeit ausgestorben und ist bis heute stark gefährdet. Durch Nachzuchten aus Zoos und Tierparks wurde hier 1984 Tiere wieder ausgewildert; ebenso wandern Exemplare aus den angrenzenden Ländern zu. Der Bestand in Bayern wird aktuell auf etwa 600 europäische Wildkatzen geschätzt.
Um der Wildkatze zu helfen müssen Wälder größer und naturnaher sein und dürfen nicht als isolierte Bereiche existieren. Um die hohe Sterberate im Straßenverkehr zu vermeiden können Autobahnbrücken oder Tunnel helfen, die mit Büschen und Hecken bepflanzt natürliche Korridore bilden und auch von anderen Tieren gerne genutzt werden.