Die Winterlibelle verdankt ihren Namen tatsächlich der gleichnamigen Jahreszeit. Sie ist die einzige Libelle, sogar eines der wenigen Insekten, die ab und zu im Winter, selbst auf Schnee, gesichtet werden kann. Dabei lässt sie sich auch von Frost überziehen oder einschneien.

Während der kalten Monate fliegt die mittelgroße Libelle zwar weg von ihrem Stammgewässer und überwintert am Waldrand und unter Bäumen, wo sie vor Wind und Wetter etwas geschützter ist, aber einen tatsächlichen Unterschlupf sucht sie nicht. Anstatt sich zu vergraben oder sich in eine Baumhöhle oder Felsspalte zurückzuziehen, wie es andere Insekten im Winter tun, setzt sie sich häufig auf Gräser oder Stängel. Damit sie nicht erfriert, bildet sie ein spezielles körpereigenes Eiweiß, das sozusagen als „Frostschutzmittel“ dient.

Allein die Tatsache, dass sie im Winter immer noch lebt, ist schon ein Phänomen. Denn normalerweise sterben die letzten erwachsenen Flugkünstler spätestens im September. Libellen verbringen die meiste Zeit ihres Daseins als Larven im Wasser. Große Arten können bis zu ihrer Entwicklung zum Fluginsekt bis zu drei Jahre als Larve leben, bevor sie sich verpuppen. Als fliegende Exemplare existieren sie nur ein bis drei Monate, denn diese finale Form dient lediglich der Paarung und der Eiablage. Nicht so bei der Winterlibelle.

Sie ist in ganz Europa die einzige Libelle, die als erwachsenes Tier, also als geflügeltes Insekt, überwintert. Bei allen anderen übersteht lediglich ihr Nachwuchs den Winter als Ei oder Larve in Gewässern. Die Strategie der Winterlibelle hat einen entscheidenden Vorteil: Sie können sich als erstes paaren und als erstes ihre Eier ablegen. So sind sie weniger Fressfeinden ausgesetzt, da auch diese häufig noch nicht aktiv sind.

Von April bis Mai finden Paarung und Eiablage statt, die neue Generation ist dann schon im Juli als fertige Libelle zu sehen. Für eine kurze Zeit können sowohl die alten geschlechtsreifen Libellen als auch die frisch entwickelten Jungtiere gleichzeitig in der Natur auftreten. Unterscheiden kann man sie anhand ihrer Augenfarbe. Geschlechtsreife, paarungsbereite Winterlibellen bekommen im oberen Bereich ihrer Augen einen hübschen blauen Schimmer. Über den Sommer sterben diese Tiere aus dem Vorjahr. Damit haben Winterlibellen eine für diese Insekten ungewöhnlich hohe Lebenserwartung von 10 bis 12 Monaten.

Es gibt zwei Arten von Winterlibellen: Die gemeine Winterlibelle, die in Deutschland vor wenigen Jahren noch als stark gefährdet eingestuft wurde, ist inzwischen als nicht gefährdet gelistet; man hatte sie wohl einfach übersehen. Die sibirische Winterlibelle hingegen gilt hierzulande als vom Aussterben bedroht. Sie lebt eher in Asien und Osteuropa und kommt bei uns nur an nordostdeutschen Seenplatten und im Alpenvorland vor.

Wer jetzt im Winter eine Libelle sieht, kann sich sicher sein, eine Winterlibelle entdeckt zu haben. Wird sie von warmen Sonnenstrahlen erwärmt, fliegt sie sogar in der kalten Jahreszeit umher. An Gewässer begeben sie sich ab April, wo sie sich aber seltener fliegend, sondern eher ruhig an Stängeln sitzend aufhält. Generell ist die Winterlibelle ein eher inaktives Exemplar. Nähert man sich ihr, versteckt sie sich auf der anderen Seite ihres aktuellen Ruheplatzes. Umso wichtiger ist es im Herbst und Winter, keine Aufräumarbeiten im Garten oder in der Natur zu veranstalten, sondern erst im Frühling damit zu beginnen.

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