In unserem Tierheim leben in der Regel um die 120 Hunde. Einige davon, die Fundhunde und sogenannten „Verwahrtiere“, sind nur vorübergehend bei uns, bis sie von ihren Herrchen und Frauchen wieder abgeholt werden. Doch die meisten haben gerade keine Familie und warten sehnlichst auf ein neues Zuhause. Ein Teil davon ist nur einige Wochen bis wenige Monate hier: die jungen, gesunden, aber vor allem die umgänglichen, unkomplizierten, die „braven“ Hunde. Und dann gibt es noch einen andere Sorte Tierheimhunde: die „Dauersitzer“. Immer wieder bekommen wir Nachrichten von Menschen, dass auf unserer Homepage ja immer dieselben Hunde stünden. Das ist zum Teil richtig! Rund zwei Drittel unserer Schützlinge sind Langzeitgäste. Sie kamen bereits mit Verhaltensauffälligkeiten zu uns, teilweise aufgrund schwerer Traumatisierung bei den Vorbesitzern, teilweise als Ergebnis einer Verkettung unglücklicher Umstände.
Wir wären kein seriöses Tierheim, wenn wir solche Hunde einfach möglichst schnell an den nächstbesten Interessenten vermitteln würden. Es ist unsere Pflicht, die Hunde äußerst sorgfältig unter Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse und Probleme zu vermitteln. Die Bedingungen für eine verantwortungsvolle Haltung müssen erfüllt sein – ohne diese Auflagen kämen die meisten Hunde mit Aggressionspotential vermutlich auch ratzfatz wieder zurück ins Heim. Aber nicht nur das, es gibt auch einfach kaum Interessenten für Vierbeiner mit besonderen Bedürfnissen. Kaum einer traut sich diese Verantwortung zu oder möchte sich die Mühe machen, die Anforderungen zu erfüllen. So kommt es, dass etliche Hunde viele Monate und teilweise sogar mehrere Jahre im Tierheim sitzen. Bei manchen Kandidaten fällt es schwer, auch nach Jahren bei uns und mehreren gescheiterten Vermittlungsversuchen, die Hoffnung aufrechtzuerhalten, dass sie das Tierheim irgendwann doch noch verlassen werden.
Doch hin und wieder geschehen noch Zeichen und Wunder, die uns Mut machen für alle missverstandenen, schwierigen, aber ebenso liebes- und heimatbedürftigen Hunde bei uns! So ein Wunder hat sich Ende 2022 zugetragen: unser SOCKE ist aus dem Tierheim ausgezogen und es sieht nicht so aus, als wenn er wieder zurückkäme!
Socke kam im April 2017 zu uns ins Tierheim, da sein Besitzer mit dem damals dreijährigen Labradormixrüden überfordert war. Bei unseren Trainern stellte sich bald heraus, dass Socke bei Meinungsverschiedenheiten keine halben Sachen macht. Er nutzte erzieherische Nischen, griff Pfleger und Gassigeher an. Nur dank Maulkorb hat nur ein Pfleger einmal seine Zähne zu spüren bekommen. Sein größtes Thema: Mangelnde Sozialisierung und Ressourcen. Socke hat ein Eifersuchtsproblem und immer die Erwartungshaltung, dass man sich ihm gegenüber ungerecht verhält, ihm etwas wegnimmt. Er reagiert dann dermaßen über, als hinge seine ganze Existenz davon ab.
Die Jahre vergingen und Socke sah hunderte Hunde kommen und gehen, auch den ein oder anderen Hundepfleger hat er im Heim überdauert. Interessenten hatte Socke kaum. Bei ihm kamen einfach gleich mehrere Vermittlungshemmnisse zusammen: groß, schwarz, schwierig im Umgang. Doch seine Bezugspersonen im Hundehaus 2 sowie einige treue ehrenamtliche GassigeherInnen hatten Socke sehr gern. Besonders eine unserer langjährigen HerlferInnen hatte von Anfang an einen Narren an diesem Kerl gefressen: Gassigeherin Lydia! Schon seit 2018 hatte sie unseren Hundepflegern felsenfest überzeugt erzählt, dass sie Socke eines Tages adoptieren würde – wenn sie nur ausreichend Platz und finanzielle Mittel dafür hätte.
Während Corona lernte Lydia ihren Partner Alex aus Lippach in Baden-Württemberg kennen. Auch ihm gegenüber hat die entschlossene Tierfreundin immer klargemacht: „Mich gibt es nur mit Hund! Wenn ich zu dir ziehe, dann nur mit Socke!“ Glücklicherweise hat sie in Alex einen verständnisvollen, großherzigen Partner gefunden, der bereit ist, alle Herausforderungen mit seiner Lydia zu meistern!
Im Sommer 2022 begann Lydia mit Sockes Hundetrainerin Rebecca zu arbeiten. Sie übten gemeinsam alle möglichen Alltagssituationen, in denen Sockes Verhalten zu Konflikten führen könnte und in denen es gilt, sich als Hundeführerin richtig zu verhalten. Ausflug in den Englischen Garten, Innenstadt, U-Bahn, sogar häusliche Situationen mit Wohnzimmerkulisse und einem gemeinsamen Abendessen wurden nachgestellt.
Für einen Hund von Sockes Format reichte das aber noch lange nicht aus: Der große Kerl braucht einen geeigneten Außenzwinger. (Dies ist natürlich längst nicht für alle unsere Dauersitzerhunde notwendig!) Im Sommer zog Lydia nach Lippach und fing sofort an, alles für Sockes Adoption vorzubereiten: Sie baute mit Alex einen Außenzwinger und richtete ein eigenes Hundezimmer in der Wohnung ein, in dem Socke ohne Maulkorb mit Familienanschluss und dennoch gesichert hinter einem Gitter sein konnte – als Rückzugsort und für Situationen mit Besuchern. Währenddessen fuhr sie immer noch jedes Wochenende nach München, um mit Socke im Tierheim Zeit zu verbringen.
Als alles fertig war, wurde ein Probewohnen vereinbart. Trainerin Rebecca packte Sockes sieben Sachen und machte sich mit ihm auf den Weg ins Nachbarbundesland. Beim Abschied auf dem Parkplatz gab es natürlich noch eine Runde Knuddeln mit Pflegerin Silke, die sichtlich gerührt war.
Bei der Ankunft in Lippach war alles erstmal sehr spannend für Socke, aber solange seine liebste Lydia bei ihm ist, fühlt er sich sicher. Nun lebt der schöne Kerl schon seit zwei Monaten bei Lydia und Alex und hat sich bestens eingewöhnt. Die drei sind ein eingespieltes Team und wissen dank intensivem Training mit Rebecca, wie sie sich in allen Lebenslagen verhalten müssen, damit das Zusammenleben mit dem nicht so einfachen Hund klappt.
Lydia schickt uns regelmäßig Fotos und Videos von ihren Ausflügen mit Socke und uns geht einfach nur das Herz auf dabei, zu sehen, wie gut es unserem ehemaligen Sorgenkind nun geht.
Die lieben, einfachen Hunde kann jeder aufnehmen. Doch auch den Schwierigeren, die ja dennoch Liebe und Fürsorge verdienen, eine Chance zu geben – unter all den notwendigen Vorkehrungen und Auflagen – dazu gehört schon etwas mehr. Wir sind unendlich froh, dass es ein paar Menschen gibt, die diese Verantwortung auf sich nehmen und einem unserer Dauersitzerhunde ein glückliches, hundewürdiges Leben ermöglichen!
Wir freuen uns für unseren Socke und wünschen Lydia, Alex und ihm eine wunderbare gemeinsame Zukunft, sorglose Zeiten und sagen einfach nur DANKE!